CORONA

Politik

Mehr Solidarität wagen

Begegnung mit der Politik: Der IG-BCE-Vorsitzende Michael Vassiliadis (links) mit Bundesfinanzminister Olaf Scholz, der als Gast bei der Arbeitsdirektorenkonferenz 2020 in Berlin geladen war.

Foto: Andrea Vollmer

In der Corona-Krise zeigte sich, wie fragil die globalen Wertschöpfungsketten sein können, aber auch, dass mobiles Arbeiten – ordentlich geregelt – funktionieren kann. Zugleich gewannen Themen wie Solidarität und gewerkschaftlicher Zusammenhalt in der gesellschaftlichen Diskussion an Bedeutung.

Die Corona-Pandemie hat mit einem Schlag alles verändert, die Arbeitswelt, das Privatleben, den öffentlichen Raum. Bereits im Herbst 2020 hat der IG-BCE-Vorsitzende Michael Vassiliadis seine Schlussfolgerungen aus den ersten Krisenmonaten gezogen: „Mehr Solidarität wagen“ lautet der Titel seines 20-seitigen Dossiers. Wer Antworten auf die sozialen und wirtschaftlichen Corona-Folgen suche, finde diese im Leitmotiv der Gewerkschaften wieder, bilanziert Vassiliadis: Solidarität als prägendes Prinzip, in der Arbeitswelt wie im gesellschaftspolitischen Miteinander. Der sozialpartnerschaftliche Gedanke sei einer der zentralen Standortvorteile Deutschlands, das zeigte sich – ähnlich wie in der Finanzkrise – auch in der Corona-Pandemie. Er verweist darauf, dass kein anderes Industrieland pro Kopf stärker in sozialen Schutz und ökonomische Hilfen investiert habe als Deutschland – auch und gerade durch die tatkräftige Einmischung der Gewerkschaften. Durch die milliardenschweren staatlichen Hilfsprogramme für Konzerne, kleine und mittelgroße Betriebe sowie arbeitsmarktpolitische Instrumente wie Kurzarbeit konnten Arbeitsplätze gesichert, die Kaufkraft stabilisiert und Insolvenzen abgewendet werden. Auch konkrete Handlungsvorschläge finden sich in dem Papier: So fordert Vassiliadis unter anderem einen Schutzschirm für angeschlagene Zulieferer.

Homeoffice, Hygieneregeln, Kurzarbeit: Die IG BCE stand Mitgliedern, Belegschaftsvertretungen und Arbeitgebern mit Rat und Tat zur Seite.

Foto: Bnenin, Adobe Stock

Nachhaltigkeit in den Lieferketten stärken

Eine weitere Lehre: In der Pandemie mussten zahlreiche Grenzen schließen. Das hat die industriellen Wertschöpfungsketten oft gestört, teilweise unterbrochen. Laut einer Studie verzeichneten fast 95 Prozent der befragten Firmen in Deutschland eine zeitweise Unterbrechung der Lieferkette. Das galt nicht nur für eng getaktete Produktionsnetzwerke wie in der Automobilindustrie. Engpässe bei Schutzkleidung, Medikamenten und Impfstoffen machten die Verwundbarkeit globaler Lieferketten bei in der Pandemie essenziellen Produkten deutlich. In der Debatte über die negativen Auswirkungen einer starken internationalen Vernetzung setzt sich die IG BCE dafür ein, die Nachhaltigkeit in den Lieferketten zu stärken sowie die Globalisierung besser und sozial ausgewogener zu regulieren. Mit gleich mehreren öffentlichen Initiativen – unter anderem gemeinsam mit den Kolleg*innen der IG Metall – machte sie dies deutlich. Notwendig ist unter anderem ein Ausbau von systemrelevanten Produktionskapazitäten in Europa.

Kein anderes Industrieland hat stärker in sozialen Schutz und ökonomische Hilfen investiert als Deutschland – auch und gerade durch die tatkräftige Einmischung der Gewerkschaften.

Die Corona-Krise bedeutete zudem für viele Beschäftigte eine radikale Veränderung ihres Arbeitsalltags. Seit Beginn der Pandemie nutzen in den Branchen der IG BCE immer mehr Arbeitnehmer*innen mobile Geräte, um im Homeoffice ihre Aufgaben zu erledigen. Regelungen dazu wurden bereits 2019 im Tarifabschluss der chemischen Industrie vereinbart. In Folge der Pandemie sind Betriebe mittlerweile dazu verpflichtet, Homeoffice anzubieten, wo immer es möglich ist. Dabei hat die Gewerkschaft gegenüber der Politik stets darauf gedrungen, dass gesetzliche Regeln für mobile Arbeit notwendig sind, etwa beim Arbeitsschutz, bei der Gestaltung des Arbeitsplatzes, zur technischen Ausstattung oder bei der Arbeitszeit.

Keine Warteschleife für junge Leute

Als Folge der Pandemie ging bundesweit die Zahl der Ausbildungsstellen zurück, auch in den Branchen der IG BCE. Als Mitglied der „Allianz für Aus- und Weiterbildung“ unter Leitung des Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hat sich die IG BCE für die Rettung von möglichst vielen Ausbildungsplätzen eingesetzt. So wurde das „Bundesprogramm Ausbildungsplätze sichern“ maßgeblich mit- und weiterentwickelt. Betriebe, die ihre Ausbildung auf gleichbleibendem Niveau beibehalten oder ausbauen, erhalten nun eine Prämie. Auch die Unterstützung von Betrieben in Kurzarbeit und Insolvenz wurde verstärkt: Auszubildende sollen über Kooperations- und Verbundausbildungen ihre Lehre fortsetzen oder im Insolvenzfall in einen anderen Betrieb übergehen können.