CORONA

Tarif

Erfolgreich verhandeln auf Distanz

Foto: Frank Rogner

Die Pandemie machte gerade in der Anfangszeit rasches und flexibles Handeln notwendig. Die IG BCE hat zahlreiche Regelungen zu Kurzarbeit oder Corona-Boni vereinbart und Tarifverhandlungen geführt – trotz erschwerter Bedingungen wie Kontaktbeschränkungen und Distanzgebot.

Während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 gingen rund sechs Millionen Beschäftigte in Deutschland in Kurzarbeit. Normalerweise fallen Arbeitnehmer*innen bei 100 Prozent Kurzarbeit auf 60 (beziehungsweise 67 Prozent bei Beschäftigten mit Kindern) ihres bisherigen Einkommens zurück. Deswegen hatte die IG BCE schon vor der Pandemie in vielen Bereichen Aufstockungszahlungen vereinbart. Durch Corona kamen weitere Branchen hinzu, etwa die Glas- und die Papierindustrie. Insgesamt hat die IG BCE während der Corona-Krise für vier von fünf Beschäftigten in ihren Branchen eine tarifliche oder betriebliche Aufstockungszahlung auf bis zu 90 Prozent ab dem ersten Monat der Kurzarbeit vereinbart – deutlich bevor der Gesetzgeber eine Aufstockung des Kurzarbeitergeldes ab dem dritten Monat umgesetzt hatte. Zudem konnte die IG BCE knapp 80 Vereinbarungen über einen Corona-Bonus auf tariflicher oder betrieblicher Ebene für mehr als 130.000 Arbeitnehmer*innen durchsetzen. Die vereinbarten Einmalzahlungen lagen zwischen 100 und 1.500 Euro.

Viele Regelungen getroffen

Bereits im März 2020 schloss die IG BCE mit dem Bundesarbeitgeberverband Chemie (BAVC) die erste Pandemievereinbarung zur Krisenbewältigung ab. Im Vordergrund standen dabei die Sicherung von Beschäftigung und Arbeitsplätzen sowie aus Infektionsschutzgründen die Reduzierung direkter Kontakte zwischen den Beschäftigten. Unter anderem vereinbarten die Sozialpartner*innen, dass Firmen per Betriebsvereinbarung die freien Tage aus dem Zukunftskonto für die Jahre 2021 und 2022 vorziehen und bereits 2020 nutzen können. Das bedeutete erhöhte zeitliche Flexibilität für Beschäftigte und Unternehmen. Ebenso hat die Gewerkschaft in fast allen ihren Branchen durch eine Öffnung der Tarifverträge die Fristen für die Beantragung der Kurzarbeit von 14 auf drei Tage gesenkt – etwa in der Chemie-, Glas-, Papier- und Kautschukbranche. Damit wurde die Reaktionszeit auf krisenhafte Situationen verkürzt.

Beschäftigte des Dresdner Chipherstellers Globalfoundries (GF) kämpften Ende Mai 2020 mit einem 24-Stunden-Warnstreik für faire Tarifbindung.

Foto: Fabian Schneider

Die Kurzarbeit hat massenhaften Arbeitsplatzabbau während der Corona-Krise verhindert.

Auch auf das Tarifgeschäft hatten die Hygiene- und Abstandsregeln Einfluss – die sonst üblichen großen Runden in Präsenz wie etwa Verhandlungsrunden oder Sitzungen der Tarifkommissionen waren durch die Corona-Schutzmaßnahmen nicht möglich. Die IG BCE hat in der Folge die meisten Tarifkommissionssitzungen sowie einen großen Teil der Verhandlungen digital durchgeführt. Zu Live-Schaltungen kam zumeist eine verkleinerte Verhandlungskommission mit der Tarifkommission zusammen. Die Tarifverhandlungen in der Kautschukindustrie etwa fanden mit einer dreiköpfigen Verhandlungskommission und telefonisch zugeschalteter Bundestarifkommission statt. Die Verhandlung in der Papierindustrie startete im Sommer 2020 zunächst in Präsenz, wurde aber wegen der Infektionslage später digital zu Ende geführt. Trotz Pandemie konnten zudem Tarifaktionen organisiert werden – je nach aktueller Infektionslage vor Ort mit Abstand oder online. Desinfektionsmittel und Masken stellte dabei die IG BCE zur Verfügung.

Die Tarifverhandlungen für die 40.000 Beschäftigten in der Papierindustrie fanden trotz Pandemie mit Abstand in Präsenz statt.

Foto: Christian Burkert

Zahlreiche Aktionen in den Betrieben unterstützten die Forderungen der IG BCE.

Foto: Karim Nefissi

In der dritten Verhandlungsrunde in Frankfurt haben sich IG BCE und die Vereinigung der Arbeitgeberverbände der deutschen Papierindustrie (VAP) auf ein Tarifpaket geeinigt.

Foto: Andreas Reeg

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Tariferfolge trotz Pandemie

Während viele Bereiche einen wirtschaftlichen Einbruch in der Corona-Krise erlebten, leisteten die Beschäftigten bei Labordienstleister*innen unter höchstem Druck wertvolle Arbeit. Konzerne wie Amedes oder Synlab erlebten ein enormes wirtschaftliches Wachstum. Die IG BCE hat diese Entwicklung mit einer Ausweitung der Tarifbindung und guten Tarifabschlüssen begleitet. So wurde bei Synlab eine Entgeltsteigerung von mehr als neun Prozent von 2018 bis 2021 erreicht. Für die Auszubildenden gab es eine überproportionale Steigerung ihrer Vergütungen, außerdem Einmalzahlungen von 2.500 Euro. Unternehmen wie Eurofins, Wesseling oder BioNTech weigerten sich bisher, in Tarifverhandlungen einzusteigen, ebenso Tochtergesellschaften von Unternehmen wie B. Braun oder Fresenius. Die steigende Mitgliederzahl in diesen Bereichen wird in Zukunft die Basis für die Tarifbindung sein.