Der schwierige Weg zum Tarifvertrag
Tausende Tarifverträge gelten im Zuständigkeitsbereich der IG BCE. Knapp 15 Prozent sind Flächen- oder Branchentarifverträge, drei Viertel entfallen auf Haustarifverträge. In besonders schwierigen Fällen führen nur Arbeitskämpfe zum Tarifvertrag.
Das Klima ist in den vergangenen Jahren in vielen Betrieben erheblich rauer geworden. Das gilt insbesondere dann, wenn es darum geht, tarifliche Bindung zu schaffen. In den großen Tarifbereichen gelingt es der IG BCE aufgrund gewachsener Strukturen und der gelebten Sozialpartnerschaft, Tarifrunden auch ohne Arbeitskämpfe zum erfolgreichen Abschluss zu bringen. Anders sieht das häufig in Unternehmen und Betrieben mit Haustarifverträgen oder ohne tarifliche Bindung aus.
Gerade dort müssen die betreuenden Gewerkschaftssekretär*innen zunächst mitbestimmungsrechtliche Strukturen aufbauen, um sich dann dem Tarifgeschäft zuwenden zu können. Wurden in den Jahren 2017 bis 2019 in sechs Fällen Arbeitskampfmaßnahmen beim geschäftsführenden Hauptvorstand beantragt, waren es allein im Jahr 2020 bis März 2021 acht Anträge – und das trotz erschwerter Rahmenbedingungen durch die Corona-Pandemie. Zwei erfolgreiche Beispiele sind die Arbeitskämpfe bei Aenova Haupt Pharma in Münster und bei der Papierfabrik Wellteam in Herford. Erst nach einer Urabstimmung gab das Management bei Haupt Pharma seinen Widerstand auf, sodass die Verhandlungen doch noch erfolgreich beendet werden konnten. Bei Wellteam führten die Warnstreiks dazu, dass das Unternehmen seinen 130-jährigen Widerstand gegen kollektive Regelungen aufgab und seinen ersten Tarifvertrag unterzeichnete.
Zwei erfolgreiche Beispiele sind die Arbeitskämpfe bei Aenova Haupt Pharma in Münster und bei der Papierfabrik Wellteam in Herford.
Tarifbindung im Organisationsbereich der IG BCE
Mehr als 3.200 Tarifverträge gelten im Zuständigkeitsbereich der IG BCE. Etwa 15 Prozent sind Flächen- oder Branchentarifverträge, rund elf Prozent sogenannte unternehmensbezogene Verbandstarifverträge und circa 75 Prozent Haustarifverträge. Ihre Anzahl ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen, die Anzahl der tarifgebundenen Betriebe und insbesondere der tarifgebundenen Beschäftigten jedoch gesunken. Den größten Zuwachs (plus 30 Prozent) an neuen tariflichen Regelungen gibt es bei den unternehmensbezogenen Verbandstarifverträgen, insbesondere als abweichende Regelungen zu den Flächentarifverträgen. In 84 Betrieben wurde erstmalig eine Tarifbindung in einem Flächentarifvertrag erreicht. Großteile davon sind aber Abspaltungen aus tarifgebundenen Konzernen. In 59 bisher nicht tarifgebundenen Betrieben wurden Haustarifverträge abgeschlossen. 15 Betriebe mit Haustarifverträgen konnten in eine Flächenbindung überführt werden. Dahingegen wurden in acht Betrieben Haustarifverträge geschlossen, die eine Flächenbindung ablösten. 71 Betriebe flüchteten komplett aus der Tarifbindung, davon allein 56 aus der Fläche. Insgesamt sind 2020 gut 940.000 Beschäftigte innerhalb der IG-BCE-Branchen tarifgebunden. Mehr als 732.000 Beschäftigte fallen unter die Bindungswirkung von Flächentarifverträgen. Etwa 207.000 Beschäftigte sind durch Haustarife abgedeckt.
Vorteile für Gewerkschaftsmitglieder: der Gewerkschaftsbonus
Zurzeit hat die IG BCE in mehr als 140 Tarifbereichen/Unternehmen für mehr als 75.000 Gewerkschaftsmitglieder Vorteile vereinbart, viele von ihnen in den vergangenen vier Jahren. Die Bandbreite dieser Vorteile ist groß. Sie reicht von Einmalzahlungen über zusätzliche Urlaubstage/Freistellungen bis hin zum Zuschuss zum Kurzarbeitergeld. Meist werden diese Vorteile in Firmentarifverträgen vereinbart. Die IG BCE schafft so Anreize, um eine Mitgliedschaft in der Gewerkschaft zusätzlich attraktiv zu machen. Allerdings gestaltete sich die Umsetzung in verbandsbezogenen Tarifbereichen äußerst schwierig, da die Arbeitgeberverbände Vorteilsregelungen durch die Bank ablehnen.
Zu signifikanten Zuwächsen des Organisationsgrades kam es nach Abschluss eines Gewerkschaftsbonus im Durchschnitt nicht. Es hat sich aber als probates Mittel erwiesen, Mitglieder zu halten, Anerkennung auszudrücken und so die Tarifbindung zu stärken. Da der persönliche Nutzen einer Mitgliedschaft eine nicht unerhebliche Rolle in der Mitgliederwerbung hat, können Bonusregelungen erfolgreiche Mitgliederwerbung gut unterstützen, das persönliche Gespräch im Betrieb aber natürlich nicht ersetzen.