TRANSFORMATION

Kohle

Kohlekompromiss mit robustem Sicherheitsnetz für unsere Leute erstritten

Foto: Andreas Franke

Die Transformation der Energiewirtschaft und das schrittweise Auslaufen der Kohleverstromung bildeten einen Schwerpunkt der politischen und tariflichen Arbeit der IG BCE in der zurückliegenden Wahlperiode.

Übergeordnetes Ziel war, die Energiewende mit Vernunft, sozialer Verantwortung und neuen Perspektiven für gute Industriearbeit zu gestalten. Dabei nahm die IG BCE eine zentrale Rolle ein – als aktive Kraft in der von der Bundesregierung eingesetzte Kommission "Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung", als Interessenvertretung und Sprachrohr von zehntausenden Arbeitnehmer*innen, die vom Ende der Kohleverstromung betroffen sind, und schließlich als Verhandlungspartnerin der Unternehmen.

Seit Jahren ringt die Bundesregierung um die Frage: Wie kann Deutschland die ehrgeizigen weltweiten Klimaschutzpläne von Paris verwirklichen? Das Klimaschutzgesetz sieht die größten Einsparungen im Energiesektor vor. Die Kohleverstromung steht dabei besonders im Fokus von Umweltverbänden, NGOs und Politik, obgleich die Energiewirtschaft bereits die größten Beiträge zur CO2-Vermeidung liefert.

„Wir sind laut für unsere Jobs!“: Im rheinischen Braunkohle-Revier protestierten mehr als 30.000 Menschen – eine der größten Demonstrationen in der IG-BCE-Geschichte.

Zentrale Rolle beim Kohlekompromiss

Im Juni 2018 setzte die Bundesregierung eine 31-köpfige Kommission ein, die einen Plan für die schrittweise Reduzierung und Beendigung der Kohleverstromung in Deutschland erstellen und konkrete Vorschläge für Wachstum und Beschäftigung in den betroffenen Regionen unterbreiten sollte. In dieser Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ übernahmen die IG BCE, der DGB und Ver.di eine tragende Rolle.

Den mehrmonatigen Prozess begleiteten unzählige Aktionen in den Braunkohlenrevieren, am Verhandlungsort in Berlin und virtuell, an denen sich zehntausende Beschäftigte beteiligten. Bundesweite Aktionstage wurden organisiert, Standortkonferenzen sollten neue Perspektiven für die Reviere ausloten, Mahnwachen erinnerten die Kommissionsmitglieder während der Verhandlungen an ihre soziale Verantwortung. Den Höhepunkt der Aktionen bildete eine Großdemonstration unter dem Motto „Wir sind laut für unsere Jobs!“ im rheinischen Braunkohlerevier. Sie wurde mit mehr als 30.000 Teilnehmer*innen eine der größten Protestveranstaltungen der IG-BCE-Geschichte.

Nach monatelangen Gesprächen und einem 21-stündigen Verhandlungsmarathon am letzten Sitzungstag legte die Kommission schließlich am 26. Januar 2019 ihren Abschlussbericht vor.

Niemand fällt ins Bergfreie

Das wichtigste Ergebnis: Niemand fällt durch den Auslauf der Kohleverstromung in Deutschland ins Bergfreie, über den ganzen Zeitraum einschließlich Bergbau-Rekultivierung. Die Beschäftigten in der Kohleverstromung wurden im klimapolitisch bedingten Strukturwandel umfassend abgesichert. Das Sicherheitsversprechen umfasste verbindliche tarifliche Regelungen, ein neues Anpassungsgeld (APG) für Arbeitnehmer*innen der Braunkohleindustrie und Steinkohleverstromung, Arbeitsplätze schaffende Neuinvestitionen in die Reviere durch Investitionsförderung, Ausbau der Infrastruktur sowie Neugründungen und Erweiterungen von Behörden oder Einrichtungen. Abgesichert wurde es auch mit „Wenn-dann“-Checkpoints für Versorgungssicherheit, Klimaschutz, Netze, Speicher, Sektorkopplung und Innovationspotenziale, Strukturentwicklung, Wertschöpfung und Beschäftigung.

Selbstbewusst: Beschäftigte aus der Braunkohleverstromung auf der IG-BCE-Demo 2018 in Bergheim.

Foto: Frank Rogner

Gut 30.000 Menschen forderten einen „risikofreien Wandel“ für die Reviere.

Foto: Frank Rogner

„Ein überwältigendes Signal der Solidarität“: Michael Vassiliadis spricht zu den Demonstranten.

Foto: IG BCE

Einen „Revier-Apell“ mit mehr als 27.000 Unterschriften übergaben die Beschäftigten an den Co-Vorsitzenden der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“, Matthias Platzeck.

Foto: Frank Rogner

„Wir sind laut für unsere Jobs“: Gemeinsam trommeln die Kollegen für einen verantwortungsvollen Kohlekompromiss.

Foto: Frank Rogner

Klares Signal am Dom: Im November 2018 demonstrieren die Beschäftigten in Köln.

Foto: Markus Feger

Zielscheibe: Die Beschäftigten in der Braunkohle sahen ihre Jobs in akuter Gefahr.

Foto: Andreas Franke

Ein Signal der sozialen Verantwortung forderten Beschäftigte aus dem Lausitzer Revier von der Politik. Hier bei einer Tagung der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ im Oktober 2018 in Weißwasser.

Foto: Andreas Franke

Die IG BCE veranstaltete regelmäßig Aktionen an den Tagungsorten der Kohlekommission.

Foto: Andreas Franke

Intensiv beschäftigte sich der Hauptvorstand der IG BCE mit dem Strukturwandel in der Braunkohle – hier bei einer Klausur im Tagebau Welzow Süd.

Foto: Rainer Weisflog

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2020 wurden die Empfehlungen der Kohlekommission von Bundesregierung und Bundestag mit dem Kohleverstromungsbeendigungsgesetz und dem Strukturstärkungsgesetz schließlich weitgehend umgesetzt.

Die Bundesregierung führte ein APG für Beschäftigte in Braunkohlekraftwerken und -tagebauen sowie in Steinkohlenkraftwerken ein. Noch bis 2043 kann der APG-Bezug beginnen.

Investitionen in die Kohleregionen

Um den Kohleausstieg in der Stromerzeugung auszugleichen, müssen die erneuerbaren Energien einen Anteil von 65 Prozent an der Bruttostromerzeugung bis 2030 erreichen. Wasser-, Biomasse- und Gaskraftwerke müssen die schwankende Einspeisung Erneuerbarer ausgleichen, wenn Kohle stillgelegt wird. Verlängert wird die Förderung von Kraft-Wärme-Kopplung. Zusätzliche Gaskraftwerkskapazitäten sollen an bisherigen Kraftwerksstandorten entstehen.

Betreiber von Steinkohlenkraftwerken dürfen sich an den Stilllegungsauktionen von 2020 bis 2027 nur mit gewerkschaftlichem Nachweis verbindlicher tariflicher Regelungen beteiligen. Mit dem Strukturstärkungsgesetz fließen bis 2038 mehr als 40 Milliarden Euro in die Kohleregionen.

Die Hauptverwaltung und die betroffenen Landesbezirke der IG BCE begleiteten die Umsetzung der Kommissionsempfehlungen in Bundesgesetze intensiv und in enger Kommunikation mit den Betriebsratsvorsitzenden. Zu Kohlegesetzen und APG sprach der Vorsitzende der IG BCE Michael Vassiliadis auf zentralen Betriebsversammlungen der betroffenen Unternehmen.

Tarifverträge bieten Sicherheiten und Perspektiven

Den Kern der Sicherheit für die vom Kohleauslauf betroffenen Kolleg*innen bilden die Tarifverträge der IG BCE, die die Beendigung des Braunkohlebergbaus und der Kohleverstromung seit 2020 langfristig sozialverträglich regeln.

Mit allen Unternehmen wurden weitreichende Sicherungen für die Beschäftigten vereinbart. Sie gelten während des gesamten Personalabbauprozesses. Neben dem grundsätzlichen Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen wurde als primäres Instrument für ältere Beschäftigte das staatliche APG finanziell aufgestockt. Beschäftigte können so substanziell gut abgesichert vorzeitig aus den Unternehmen ausscheiden.

Die Beschäftigten in der Lausitz erinnerten im Oktober 2018 an die Bedeutung ihrer Arbeitsplätze in der Region.

Foto: Andreas Franke

„Bezahlbare Energie“ liefert die Braunkohle seit Jahrzehnten – und sichere dazu.

Foto: Andreas Franke

Mit Tröten und Trillerpfeifen machen die Beschäftigten auf ihre Lage aufmerksam.

Foto: Andreas Franke

Mitglieder der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ – hier der brandenburgische Ministerpräsident Dietmar Woidke – im Gespräch mit den Demonstranten.

Foto: Andreas Franke

Auf vielen Betriebsversammlungen – hier bei RWE – wurde über den Auslaufpfad für die Kohle diskutiert.

Foto: IG BCE

Erklären, einordnen, mobilisieren: Michael Vassiliadis berichtete als Kommissionsmitglied regelmäßig über die aktuellen Verhandlungsstände.

Foto: IG BCE

Der Nachwuchs der Kohle-Beschäftigten machte sich seine eigenen Gedanken.

Foto: Andreas Franke

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Für Beschäftigte, die nicht über das staatliche APG ausscheiden können, wurden weitreichende flankierende Maßnahmen vereinbart. Individuelle, zeitlich unbegrenzte Qualifizierungen unter Fortzahlung der Vergütungen tragen dazu bei, echte Chancen für die Beschäftigten, für die Unternehmen sowie für die von dem Strukturwandel betroffenen Regionen abzubilden. Die Ergebnisse der Tarifverhandlungen für junge Menschen mit Vereinbarungen zu Ausbildungszahlen und Übernahmeregelungen bilden auch für diese Beschäftigtengruppe eine gute Perspektive.

Allerdings: Entscheidende Voraussetzung dafür sind die Schaffung neuer Industriearbeitsplätze und der Aufbau einer Energieversorgung auf erneuerbarer Basis. Das stockt – und findet bislang nicht die gleiche Aufmerksamkeit wie die Formulierung immer schärferer und immer schnellerer Klimaziele.