TRANSFORMATION

Klima

Foto: archimede, Adobe Stock

Der Wandel braucht eine klare Roadmap

Die Klimaschutzbemühungen sind der wichtigste Treiber für die industrielle Transformation. Sowohl in Deutschland als auch in Europa werden die Einsparziele schärfer. Die IG BCE setzt sich für eine klare Roadmap zur Gestaltung des Strukturwandels ein.

Kaum ein Thema hat die gesellschaftliche Debatte in den vergangenen Jahren so stark bestimmt wie die Klimapolitik. Die IG BCE hat sich dabei stets als Stimme der sozialen Vernunft und als sachverständige Ideengeberin eingebracht. Sie setzt sich mit Nachdruck dafür ein, dass die Politik nicht nur Ziele formuliert, sondern auch eine klare Roadmap und die erforderlichen Rahmenbedingungen für die Transformation bietet. Das gilt nicht nur für den „Green Deal“ der EU, sondern auch für das deutsche Klimaschutzgesetz oder die CO2-Bepreisung. Eine sichere Versorgung mit klimaneutral erzeugtem Strom und Wasserstoff zu wettbewerbsfähigen Preisen sind nur zwei wichtige Beispiele hierfür.

Im Dezember 2019 hat der Europäische Rat das Ziel der Treibhausgasneutralität der Europäischen Union (EU) bis 2050 beschlossen. Der im Anschluss entwickelte „Green Deal“ der EU berührt die Industrien der IG BCE und ihre Arbeitsplätze in vielfacher Hinsicht. Zum klimagerechten Umbau dieser Branchen bedarf es jedoch europäischer Lösungen, die der „Green Deal“ als Investitions- und Strukturprogramm noch nicht ausreichend in den Blick nimmt. Die IG BCE wird nicht müde, in der EU für mehr Mut und Kooperation auf dem Weg der Transformation zu werben.

Sowohl auf europäischer wie auch auf Bundesebene begleitet die IG BCE Diskussionen und Gesetzgebungen intensiv mit eigenen Aktivitäten – im EU-Maßstab etwa im Rahmen von IndustriAll Europe oder mit ihren Sozialpartner*innen. Auch in den Europäischen Sozialdialog zwischen IndustriAll Europe und ECEG wurden die Positionen der IG BCE eingebracht. Diverse Roundtable-Veranstaltungen der energieintensiven Industrien und der Automobilindustrie inklusive Zulieferer in Kooperation mit dem Just Transition Center von EGB und IndustriAll befassten sich mit der Klimapolitik.

Wie lässt sich die Industrie klima- und sozial gerecht umbauen? Michael Vassiliadis (oben) bei einer Video-Diskussionsrunde mit Umweltministerin Svenja Schulze (unten rechts) und VDA-Präsidentin Hildegard Müller (unten links).

Screenshot: IG BCE

Das Bundes-Klimaschutzgesetz trat am 18. Dezember 2019 in Kraft. Nach einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom März 2021, das vor allem einen fehlenden Umsetzungsplan für die Zeit nach 2030 vermisste, wurde das Gesetz novelliert. Deutschland verschärfte sein Klimaziel für 2030 auf 65 Prozent Minderung der Treibhausgasemissionen gegenüber 1990. Bis 2040 sollen 88 Prozent und 2045 Klimaneutralität erreicht sein.

Realistische Perspektiven notwendig

Die IG BCE bringt sich auf politischer und öffentlicher Ebene in die Klimaschutzgesetzgebung des Bundes und der Länder ein. Sie fordert, klimapolitische Maßnahmen durch eine aktive Sozial-, Arbeitsmarkt-, Innovations-, Raumordnungs-, Struktur- und Industriepolitik zu flankieren. Dazu gehören realistische Perspektiven für die betroffenen Branchen und Regionen, Konzepte mit konkreten Umsetzungsschritten sowie die Schaffung der finanziellen Voraussetzungen.

Die Klimaziele können nur erreicht werden, wenn neue Technologien tatsächlich in industriellem Maßstab zur Verfügung stehen, bevor alte wegen zu hoher CO2-Preise eingestellt werden müssen. Wenn das Neue nicht rechtzeitig da ist, wird nicht Klimapolitik mit Industriepolitik verbunden, sondern Deutschland deindustrialisiert, weil Unternehmen abwandern und ihre Produktionsstätten in Länder mit günstigeren Rahmenbedingungen verlegen.

Ein zentrales Instrument der Klimapolitik ist die CO2-Bepreisung. Die IG BCE hat die Bepreisung von Treibhausgasen seit Einführung des Emissionshandels in der EU als marktwirtschaftliches Instrument kritisch-konstruktiv begleitet. In beide Gesetzgebungsverfahren hat sie sich mit Stellungnahmen und der Beteiligung an Bundestagsanhörungen eingebracht.

Aus Sicht der IG BCE wird Klimapolitik nur erfolgreich sein, wenn soziale, ökologische und ökonomische Anforderungen wie Gute Arbeit oder nachhaltiger Wohlstand gleichermaßen in die Gestaltung der Transformation einbezogen werden.

Doppelbelastungen verhindern

Der häufig unbestimmten CO2-Minderungswirkung steht mit der Einführung einer CO2-Bepreisung für die Sektoren Verkehr und Wärme eine konkrete Belastung aller Haushalte und Unternehmen gegenüber. Klimafreundliche Verhaltensalternativen, um diese Belastungen zu vermeiden, stehen hingegen nicht allen Haushalten und Unternehmen offen. Im Verkehrssektor wird dieser Widerspruch besonders deutlich: Viele Menschen, besonders im ländlichen Raum, müssen ab 2021 mehr für die CO2-Emissionen ihres Autos bezahlen, ohne auf Alternativen wie einen gut ausgebauten öffentlichen Nah- und Fernverkehr zurückgreifen zu können.

Klimapolitik wird nur erfolgreich sein, wenn soziale, ökologische und ökonomische Anforderungen wie Gute Arbeit oder nachhaltiger Wohlstand gleichermaßen in die Gestaltung einbezogen werden.

Die IG BCE forderte zudem, Doppelbelastungen der Industrie aus dem europäischen sowie dem nationalen Emissionshandeltssystem zuverlässig und angemessen zu verhindern. Alle EU-ETS-Anlagen sollten im Voraus von nationaler CO2-Bepreisung befreit sein. Und alle Regelungen müssen beihilfefest nach dem europäischen Wettbewerbsrecht sein. Auch die weniger energieintensiven Industrieanlagen benötigen einen wirksamen Carbon-Leakage-Schutz gegenüber Wettbewerber*innen innerhalb und außerhalb der EU. Die IG BCE veröffentlichte dazu gemeinsame Papiere mit DIHK und BDI sowie mit BVKI und BKRI.

Gleichzeitig hat sich die IG BCE für eine steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung eingesetzt, um klimagerechte Innovationen anzureizen. Zum 1. Januar 2020 ist das Gesetz zur steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung schließlich in Kraft getreten. Mit der Forschungszulage sollen insbesondere Forschungsprojekte in den Bereichen Grundlagenforschung, industrielle Forschung und experimentelle Entwicklung unterstützt werden.

Transformation schnell in Angriff nehmen

Die IG BCE hat sich bereits vor Verabschiedung des Gesetzes dafür stark gemacht, die steuerliche Forschungsförderung nicht abhängig von der Größe des Unternehmens zu machen. Zwar ist das Ziel des Gesetzes, insbesondere die Forschung in kleinen und mittleren Unternehmen zu fördern. Die Festsetzung einer Obergrenze für die Zahl von Beschäftigten im Unternehmen scheint jedoch keine geeignete Maßzahl zu sein. Vielmehr sollte sich die Förderung nach der Sinnhaftigkeit der Forschungsleistung richten.

Dialog – und offene Fragen: Vertreter*innen von „Fridays for Future“ tauschten sich mit Michael Vassiliadis (4.v.l.), Ralf Sikorski (rechts) und Bundesjugendsekretärin Manuela Hauer (2.v.l.) aus.

Foto: Simone M. Neumann

Für die IG BCE ist es wichtig, die klimawirksame Transformation aller Sektoren schnell in Angriff zu nehmen. Darin liegt die große Chance für eine Zukunft mit guter Industriearbeit und spürbarem Klimaschutz. Über diese Themen haben sich Vertreter*innen der Klimaschutzbewegung „Fridays for Future“, des geschäftsführenden Hauptvorstands und der Jugend der IG BCE ausgetauscht. Dabei gab es Einigkeit in der Frage, dass der Umbau der Industriegesellschaft nicht auf Kosten der Beschäftigten gehen darf. Gleichzeitig sind Fragen nach der praktischen Umsetzbarkeit der „Fridays“-Forderungen offengeblieben. Genau diese Fragen stellen aber viele der IG-BCE-Mitglieder, die in der Energiewirtschaft und in den energieintensiven Industrien arbeiten.