DIGITALISIERUNG

Qualifizierung

Fit machen für die Arbeit von morgen

Die Digitalisierung der Arbeitswelt stellt die Beschäftigten vor Herausforderungen. Anforderungen ändern und Berufe wandeln sich. Die IG BCE reagierte mit mehreren Projekten und suchte mit den Arbeitgeber nach Lösungen. Auf die Politik übte die Gewerkschaft Druck aus, den nötigen Rahmen zu schaffen.

Die Anforderungen an die Beschäftigten wandeln sich zunehmend.

Foto: metamorworks, Adobe Stock

Der digitale Wandel beeinflusst massiv die Qualifizierung der Beschäftigten. Die Gewerkschaften wollen sie fit machen für die Arbeit von morgen. Ihre Forderungen hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales unter anderem im Qualifizierungschancengesetz und dem Arbeit-von-morgen-Gesetz aufgegriffen. Sie enthalten Pakete für die Aus- und Weiterbildungsförderung. Je nach Betriebsgröße ist eine Förderung von 15 bis 100 Prozent der Lehrgangs- und Entgeltausfallkosten erstattungsfähig. Die Förderpalette reicht vom Nachholen des Berufsabschlusses bis zur Weiterbildung bei Kurzarbeit. Mit dem 2021 verabschiedeten Betriebsrätemodernisierungsgesetz wird das Initiativrecht der Betriebsräte bei der Berufsbildung ausgeweitet.

Ein weiteres Element ist die Nationale Weiterbildungsstrategie, mit der die Regierungsparteien auf die Veränderungen der Arbeitswelt reagieren. Es geht um berufliche Teilhabe am digitalen Wandel – ein zentrales Anliegen der IG BCE. Mit den Arbeitgeber der chemisch-pharmazeutischen Industrie hat sie sich daher auf eine Selbstverpflichtung zur Qualifizierung geeinigt – als bislang einzige Sozialpartner. Ein Projekt ist die Qualifizierungsoffensive Chemie. Sie ruht auf den drei Elementen Beratung, dem „Future Skills Report“ und der Qualifikationsanalyse. Die drei Modelllandesbezirke Nordost, Nordrhein sowie Hessen-Thüringen erproben ein Beratungsangebot zur Weiterbildung. Die Pilotphase startete 2021 und dauert bis zu zwei Jahre. Danach kommt das Angebot der gesamten Branche zugute.

Klaus-Peter Stiller, BAVC-Hauptgeschäftsführer, Petra Reinbold-Knape, Mitglied des geschäftsführenden IG-BCE-Hauptvorstands, und Detlef Scheele, Vorstandschef der Bundesagentur für Arbeit, stellen ein bundesweites Projekt für die „Qualifizierungsoffensive Chemie“ vor.

Foto: BAVC

Welche Kompetenzen brauchen Beschäftigte in Zukunft?

Am „Future Skills Report“ haben beide Seiten in den vergangenen Monaten intensiv gearbeitet. Inzwischen liegt er vor. Er analysiert für verschiedene Berufsprofile wichtige Skills – also Fertigkeiten und Kenntnisse –, und trifft Aussagen für künftige Entwicklungen wie: Welche Kompetenzen brauchen Beschäftigte in Zukunft? Antworten wird ein neues Qualifizierungsanalysetool liefern. Damit definieren Betriebe ihren Bedarf. Oft verfügen die Beschäftigten zudem über Qualifikationen, die von den Betrieben nicht umfassend genutzt werden. Die Bedarfsanalyse berücksichtigt diese Kompetenzen. Mit dem Zielbild „Weiterbildung 4.0“ beschrieben die Chemie-Sozialpartner*innen den strategischen Rahmen für die Qualifizierungsoffensive. Dazu gehören ein gemeinsames Bekenntnis zu einer Führungs- und Lernkultur 4.0 sowie der Einsatz von Weiterbildungsmentor*innen. Sie unterstützen die Beschäftigten durch eine arbeitsplatznahe, kollegiale Beratung.

Mit dem Zielbild „Weiterbildung 4.0“ beschrieben die Chemie-Sozialpartner*innen den strategischen Rahmen für die Qualifizierungsoffensive.

Früh entstand die Idee, gewerkschaftliche Vertrauensleute dafür zu qualifizieren, dass sie Beschäftigte in Weiterbildungsfragen beraten. Der Plan nahm mit gemeinsamen Selbstverpflichtungserklärungen (Commitments) von IG BCE und vom Bundesarbeitgeberverband Chemie Gestalt an. Daraus folgte die Initiative „Vertrauensleute als Weiterbildungsmentor*innen“. Das Programm startete 2021 und sieht zunächst eine Pilotphase in sechs Betrieben vor.

Die Politik hat auch das neue Berufsbildungsgesetz (BBiG) beschlossen, das 2020 in Kraft trat. Die IG BCE begleitete den Prozess intensiv. Ihre Aktionen – etwa beim IG-BCE-Jugendforum 2019 – sorgten für Aufmerksamkeit. So ließen sich wichtige Teilerfolge erreichen, die im ersten Entwurf nicht zu finden waren. Darunter fallen Verbesserungen für die Auszubildenden. Gewerkschaftliche Forderungen waren unter anderem die Mindestausbildungsvergütung, die Freistellung vor Prüfungen sowie kostenlose Fachliteratur für die Ausbildung und die Abschaffung der Rückkehrpflicht nach der Berufsschule in den Betrieb. Auch die Freistellung für Prüfer*innen ist dabei. Auf Druck der DGB-Gewerkschaften setzte die Bundesregierung 2019 die Novellierung in Gang. Aber das Gesetz bleibt verbesserungswürdig, denn die Integration der dual Studierenden blieb aus. Dieses Ziel verfolgt die IG BCE weiter.

Die IG BCE entwickelt auch ihr eigenes Bildungsprogramm fort und hat die digitale Bildung in der zurückliegenden Wahlperiode stark ausgebaut, etwa für Vertrauensleute. Neue Bildungsbausteine wurden aufgelegt. Zu den Inhalten zählen tarifliche Grundkenntnisse ebenso wie die Geschichte und politischen Standpunkte der IG BCE oder Ideen für eine aktive Mitgliedergewinnung. Die Gewerkschaftsarbeit in Betrieben nimmt viel Raum ein. Seminare zu Industrie 4.0 sowie Besuche von Lernfabriken – dort bilden sich Fachkräfte in einem realitätsnahen Fabrikumfeld fort – ergänzen das Angebot. Beliebt sind die FrauRaum-Woche, das Frauenkolleg sowie der Klubb 200 mit seinem wachsenden Netzwerk ehrenamtlich aktiver Gewerkschafter*innen. Die IG BCE hält Nachwuchsprogramme für Betriebsräte bereit. Die Reihe „Komm zur Sache“ bietet kompakt aufbereitete Themensets für die politische Bildung in Betrieben.

Betriebsratsgremien (2018) und Vertrauensleute (2020) begleitetet die IG BCE online mit dem Programm „… die ersten 100 Tage …“ in ihrem Amt. Selbstlernprogramme, wann, wo und wie man will, verspricht das neue virtuelle IG-BCE-Bildungszentrum, etwa mit Kursen zur politischen Bildung, zur Qualifikation von Referent*innen sowie zur Vor- und Nachbereitung von Seminaren vor Ort. Die Digitalisierung des Bildungsangebots wird weiter ausgebaut und vorangetrieben.

Karin Erhard, Mitglied des geschäftsführenden Hauptvorstands, und Peter Wind, Geschäftsführer der BWS, beim „Online-Frühstück“.

Neue Formate für die Online-Bildung

Auch die Betriebsräte-Bildungsspezialist*innen der BWS haben große Teile des Programms auf online umgestellt. Allein im Corona-Jahr 2020 sind 520 Online-Seminare angeboten worden. Erfolgreich verliefen unter anderem die FAQ-WebSeminare mit insgesamt 2.000 Teilnehmenden zu Beginn der Pandemie. Auch das neue „Online-Frühstück“ mit Mitgliedern des geschäftsführenden Hauptvorstands und Landesbezirksleitungen wurde gut angenommen. Gleichzeitig wurde das Webangebot relaunched. Es soll in naher Zukunft mit „MyBWS“ ein Portal erhalten, in dem sich Referent*innen und Teilnehmende ihre eigene Seminarumgebung aufrufen können.

Gute digitale Arbeit erleben, digitale Lehrwerkstatt, Transformation sowie Demokratiebildung sind die vier großen Themen des Qualifizierungsförderwerks Chemie der IG BCE. Diese Schwerpunkte gelten seit Abschluss einer zweijährigen Umstrukturierungsphase im Frühjahr 2020. Auf der Basis erfolgreicher Projekte wie „Beteiligungsorientierung und Mitbestimmung bei Innovationsprozessen im Rahmen von Industrie 4.0“ entstanden neue Angebote. Das Web-Seminar „Führerschein Digitalisierung“ beispielsweise richtet sich nicht nur an Betriebsratsmitglieder und Vertrauensleute. Alle Gewerkschaftsmitglieder können damit in die Thematik einsteigen.