ARBEIT UND LEBEN

Tarifinnovationen

Foto: Christian Burkert

Mehr Schutz, mehr Vereinbarkeit, mehr Geld

Foto: Christian Burkert

Auf die erste tarifliche Pflegezusatzversicherung Deutschlands haben sich IG BCE und Arbeitgeber*innen in der vergangenen Chemie-Tarifrunde geeinigt. CareFlex Chemie ist allerdings nur eine von vielen tarifpolitischen Innovationen.

Trotz gesetzlicher Absicherung bleiben die Betroffenen im Pflegefall auf einem großen Teil der Pflegekosten sitzen. Bei stationärer Pflege liegt der Eigenanteil im Schnitt bei mehr als 2.000 Euro. Und die Kosten steigen weiter. Basierend auf dem bereits praktizierten Modell bei Henkel setzte die IG-BCE-Tarifkommission daher in der Chemie-Tarifrunde 2019 eine Pflegezusatzversicherung durch. Diese ergänzt die Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung. Ein tarifpolitisches Novum, das zeigt, dass Tarifverträge dazu beitragen können, große gesellschaftliche Herausforderungen zu bewältigen.

Mit einem Versicherungskonsortium und der Unterstützung der IG-BCE-Bonusagentur haben die Tarifvertragsparteien gemeinsam das Modell CareFlex Chemie zur Umsetzung des Tarifvertrages entwickelt: Für einen einheitlichen, altersunabhängigen, arbeitgeberfinanzierten Betrag melden die Betriebe ihre Beschäftigten ohne Gesundheitsprüfung bei der Versicherung an. Im Pflegefall erhalten die Versicherten bei ambulanter oder stationärer Pflege ein frei verfügbares steuerfreies Pflegegeld. Scheiden Beschäftigte zum Beispiel durch Renteneintritt aus dem Unternehmen aus, können sie die Versicherung ohne Gesundheitsprüfung fortführen. Darüber hinaus können die Beschäftigten auch ihre Familienangehörigen (Eltern, Ehepartner*in, Kinder) mitversichern.

Mittlerweile werden in der Politik verschiedene Ansätze zur besseren Absicherung im Pflegefall diskutiert. Alle Reformideen der gesetzlichen Pflegeversicherung können Eigenanteile aber nicht vermeiden, sondern begrenzen diese höchstens. Die tarifliche Pflegezusatzversicherung schließt damit die Lücke, die die stark angestiegenen Kosten in der Pflege gerissen haben und die auch weiterhin bestehen wird.

Mobiles Arbeiten

Als Aspekt des lebensphasenorientierten Arbeitens hat die IG BCE im Tarifabschluss 2019 die Rahmenbedingungen für mobile Arbeit in der chemischen Industrie geschaffen. Mit Beginn der Corona-Pandemie hat sie darüber hinaus mobiles Arbeiten aus Infektionsschutzgründen auf Basis freiwilliger Betriebsvereinbarungen in mehreren Tarifbereichen vereinbart.

Die Risiken des mobilen Arbeitens, die Arbeitsplatzgestaltung und die Arbeitsbedingungen dürfen nicht allein zulasten der Beschäftigten gehen.

Einerseits ermöglicht mobiles Arbeiten eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie (beispielsweise durch wegfallende Wegezeiten). Andererseits mussten viele Eltern Erwerbsarbeit im Homeoffice und Kinderbetreuung/Homeschooling gleichzeitig gewährleisten und für viele ist die Arbeitszeitbelastung durch schlechtere Kontrolle sogar angestiegen. Im „Gleichstellungspolitischen Programm“ hat die IG BCE deshalb gefordert, den Rahmen für mobile Arbeit so zu gestalten, dass die Interessen der Beschäftigten, gleichstellungspolitische Ziele sowie Arbeits- und Gesundheitsschutz in gleichem Maße beachtet werden.

Die Risiken des mobilen Arbeitens (Versicherungsschutz, zeitgleiche Betreuungsaufgaben), die Arbeitsplatzgestaltung (ergonomische und technische Ausstattung, Datenschutz) und die Arbeitsbedingungen (drohende Entgrenzung von Arbeit und Privatleben, „Führung auf Distanz“) dürfen nicht allein zulasten der Beschäftigten gehen.

Ernste Gesichter bei der IG-BCE-Verhandlungskommission in der Chemie-Tarifrunde 2019.

Foto: Andreas Reeg

Endlich ein Abschluss! Handshake zwischen Gewerkschaft und Arbeitgebern nach der Einigung in der Tarifrunde Chemie 2019.

Foto: Andreas Reeg

Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes

Zwei grundlegende Änderungen in der gesetzlichen Regelung der Leiharbeit forderten Antworten von der IG BCE: die Einführung des allgemeinen Mindestlohns zum 1. Januar 2015 und die Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes zum 1. April 2017.

Wegen dieser veränderten Rahmenbedingungen passte die IG BCE die Tarifverträge über Branchenzuschläge für die Branchen Chemie, Kunststoff, Kautschuk, Papier sowie Kali- und Steinsalz an. In begründeten Ausnahmen schloss sie außerdem auf Unternehmensbasis Verbandstarifverträge zur Verlängerung der gesetzlichen Höchstüberlassungsdauer. Dies aber nur, wenn dabei zusätzliche Absicherungen für betroffene Leiharbeiter*innen vereinbart wurden, wie zum Beispiel Übernahmevereinbarungen oder Qualifizierungsangebote. In Zukunft müssen die bestehenden Tarifverträge der DGB-Tarifgemeinschaft weiterentwickelt und die Tarifeinkommen verstetigt werden.