
Foto: Kai-Uwe Knoth
Plätze schaffen,
Lücken füllen
Der Fachkräftemangel ist real und wird durch viele unbesetzte Lehrstellen weiter verschärft. Die IGBCE setzt sich öffentlichkeitswirksam in Kampagnen für mehr Ausbildungsplätze ein. Mit speziellen Förderprogrammen sorgt sie dafür, dass diese auch besetzt werden.
Fachkräfte fallen nicht vom Himmel – ohne Ausbildung keine Zukunft“: Mit diesem eindringlichen Appell hat die IGBCE im Jahr 2023 eine öffentlichkeitswirksame Kampagne zur Stärkung der Ausbildung gestartet. Ziele sind aktive Maßnahmen der Unternehmen gegen den Fachkräftemangel und verbindliche Betriebsvereinbarungen unter anderem zur Anzahl der Ausbildungsplätze.
Die Kampagne legt den Finger in die Wunde. So konnte zwar das Vor-Corona-Niveau bei den angebotenen Ausbildungsstellen mittlerweile nicht nur erreicht, sondern sogar übertroffen werden: Im Jahr 2024 standen in den rund fünfzig Berufen der chemischen und pharmazeutischen Industrie mehr als 10.000 Plätze zur Verfügung. Das ist der höchste Wert seit dem ersten Tarifvertrag „Zukunft durch Ausbildung“ aus dem Jahr 2003 und ein Erfolg gewerkschaftlicher Arbeit. Allerdings steht diesem Rekordangebot eine große Lücke an Nichtbesetzungen gegenüber: Die Quote liegt bei 10,3 Prozent.

Francesco Grioli und der damalige Bundesjugendsekretär Philipp Hering dikutieren auf der JAV-Konferenz 2023 in Berlin über die Themen Ausbildung und Fachkräftemangel.
Foto: Mandy Klötzer
Unternehmen müssen sich neuen Realitäten stellen
Der Grund für diese hohe Zahl: Es findet keine Anpassung von Stellenausschreibungen, Bewerbungsverfahren und Einstellungstests an die neuen Realitäten statt. Viele Unternehmen stellen beispielsweise zu hohe Anforderungen an die Bewerber*innen. So werden oft Hauptschüler*innen oder nicht lineare Bildungsbiografien gleich zu Beginn des Bewerbungsprozesses aussortiert. Dadurch verschärft sich der demografische Wandel weiter. Schon jetzt gehen pro Jahr 300.000 bis 400.000 Menschen mehr in Rente, als aus der Schule nachrücken. Bis 2035 werden dem Arbeitsmarkt insgesamt sieben Millionen Arbeitskräfte verloren gehen. Ändert sich nichts, kommen künftig in der chemisch-pharmazeutischen Industrie auf eine*n neue*n Auszubildende*n drei aus dem Arbeitsleben ausscheidende Beschäftigte. Um diese Entwicklung aufzufangen, müssen die Unternehmen jahrgangsübergreifend 50.000 junge Menschen ausbilden. Derzeit sind es halb so viele.
„Wir möchten gemeinsam mit den Arbeitgebern die duale Ausbildung stärken. Dafür muss ein Umdenken auf allen Managementebenen erfolgen: Es geht nicht mehr um eine Bestenauslese, sondern um eine Perspektive für junge Menschen. Die Zukunftsfähigkeit unserer Wirtschaft steht auf dem Spiel. Unternehmen müssen daher mehr in die Aus- und Weiterbildung investieren“, sagt Alexander Bercht, im IGBCE-Vorstand für die Themen Jugend und Ausbildung zuständig. „Unser Ziel sind feste Übernahmegarantien und eine Ausbildung über Bedarf, um langfristig eine stabile und nachhaltige Fachkräfteentwicklung zu gewährleisten.“
Förderprogramme mit Wirkung
Neben Kampagnen, die das Bewusstsein für die Ausbildung schärfen, setzt die IGBCE gemeinsam mit dem Bundesarbeitgeberverband Chemie (BAVC) auf die Förderprogramme „Start in den Beruf“ und „StartPlus“ für kleine und mittlere Unternehmen. Beide Initiativen machen leistungsschwächere Schulabgänger*innen fit für die Ausbildung. Sie lernen über mehrere Monate die betriebliche Praxis kennen und erhalten theoretischen Unterricht sowie sozialpädagogische Betreuung. Seit Beginn im Jahr 2000 haben 6.160 junge Menschen „Start in den Beruf“ durchlaufen. Die Erfolgsquote liegt bei rund 80 Prozent. Das Programm „StartPlus“ förderte seit Projektbeginn 2011 insgesamt 423 Teilnehmende (Stand 2024).
Im Rahmen der Tarifrunde 2022 wurde mit „AusbildungPlus“ ein weiteres Förderprogramm im Umfang von drei Millionen Euro vereinbart. Auszubildende in kleinen und mittleren Unternehmen der chemisch-pharmazeutischen Branchen konnten im Zeitraum 2022 und 2023 bis zu 1.000 Euro für zusätzliche Unterstützung bei Prüfungsvorbereitung und beim Lernen erhalten. Damit wurden Nachteile und erschwerte Startbedingungen infolge der Corona-Pandemie ausgeglichen.
Eine zukunftsorientierte Fachkräftestrategie endet natürlich nicht mit dem Ausbildungsabschluss. Deshalb haben IGBCE und Chemie-Arbeitgeber den sogenannten Fachkräfteradar entwickelt. Dieses Instrument ermöglicht die gezielte Weitervermittlung von ausgebildeten Fachkräften, die nicht übernommen werden. So wird verhindert, dass qualifizierte junge Menschen an andere Wirtschaftszweige verloren gehen.