IGBCE in der Transformation

Klar

Foto: Markus Feger

Klar für die Zukunft

Die Gewerkschaft der Zukunft und wie sie entstehen soll

Wenn sich die Welt verändert, muss sich auch die IGBCE verändern. Mit „KLAR. Klar für die Zukunft“ stellt sich die Organisation daher grundlegend neu auf und schreibt ein neues Kapitel für die erfolgreiche gewerkschaftliche Arbeit der Zukunft.

Die IGBCE und ihre Vorgängerorganisationen können auf eine beeindruckende Geschichte zurückblicken. Seit mehr als 135 Jahren setzen sie sich leidenschaftlich für die Rechte und Interessen der Beschäftigten ein – am Arbeitsplatz, am Verhandlungstisch, in Gesellschaft und Politik. In all diesen Jahrzehnten hat die IGBCE gekämpft, gestaltet und Verantwortung übernommen: für faire Löhne, für gute Arbeit, für gesellschaftlichen Fortschritt und für eine gerechtere Arbeitswelt.

Doch die Welt, in der die IGBCE heute aktiv ist, ist eine andere als jene, in der die Grundlagen der gewerkschaftlichen Arbeit gelegt wurden. Sie ist geprägt von technologischem Wandel, von geopolitischen Spannungen, von ökologischen und sozialen Umbrüchen und von großer Unsicherheit. All diese Faktoren fordern die Gewerkschaften heraus, eröffnen aber auch neue Chancen.

Die IGBCE hat sich im Berichtszeitraum auf den Weg gemacht, sich grundlegend zu erneuern: inhaltlich, strukturell und organisatorisch. Denn die über Generationen eingeübten gewerkschaftlichen Erfolgsrezepte der Vergangenheit stoßen zunehmend an ihre Grenzen. Was gestern noch als richtungsweisend galt, ist heute nicht mehr zwangsläufig kompatibel mit den Problemstellungen und Herausforderungen. Es gilt daher, die bisherigen Ansätze gezielt weiterzuentwickeln und parallel neue Antworten zu finden. Dabei wächst auch der Anspruch an die Gewerkschaft: Sie muss nicht nur Orientierung und Sicherheit geben, sondern auch neue Impulse setzen und klare Lösungen für die veränderten Erwartungen der Mitglieder entwickeln. Michael Vassiliadis, Vorsitzender der IGBCE:In einer immer komplexer werdenden Welt, die geprägt ist von enormen geopolitischen Herausforderungen, von fundamentalen Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft, muss die IGBCE mit den Problemen Schritt halten – und ihnen bestenfalls voraus sein. Nur so können wir unsere Mitglieder schützen, Orientierung geben und die Arbeitswelt in unserem Sinne mitgestalten.“

Foto: Nicole Hoppe

Die IGBCE muss mit den Problemen Schritt ­halten – und ihnen bestenfalls ­voraus sein.

Michael Vassiliadis

Der Strategieprozess als Antwort auf die Herausforderungen

Aus diesem Bewusstsein heraus hat die Gewerkschaft im Berichtszeitraum zwei parallele Stränge der Erneuerung aufgesetzt: „STARK. Stark für die Zukunft“ und „KLAR. Klar für die Zukunft“. Dieser Artikel befasst sich mit „KLAR“, dem inhaltlich-programmatischen Strategieprozess. Dabei handelt es sich nicht um eine abstrakte Debatte, sondern um ein konkretes Programm, das helfen soll, die richtigen Antworten auf die zentralen gewerkschaftlichen Fragen zu finden: Wie kann die IGBCE auch künftig die vielfältigen Interessen ihrer Mitglieder wirksam vertreten? Mit welchen Erwartungen blicken die Mitglieder auf ihre Gewerkschaft? Welche Themen muss die Organisation heute und in Zukunft in den Mittelpunkt stellen? Und wie sollen Schutz und Stabilität in einer zunehmend fragilen Arbeitswelt organisiert werden?

Dabei war von Anfang an klar, dass der „KLAR“-Prozess nicht einfach alles Bestehende infrage stellt, sondern darauf abzielt, Bewährtes zu stärken und gleichzeitig neue Impulse und Perspektiven zu entwickeln. Er zeigt, dass sich die IGBCE nicht als Bewahrerin, sondern als Gestalterin des Wandels versteht und dass gerade in der Weiterentwicklung der gewerkschaftlichen Tradition der Schlüssel für die Zukunftsfähigkeit liegt. Dabei hat der „KLAR“-Prozess den Anspruch, diese offenen Fragen nicht im stillen Kämmerlein zu beantworten, sondern gemeinsam mit der gesamten Mitgliedschaft. In Workshops und regionalen Beteiligungsformaten in allen Landesbezirken konnten Ehrenamtliche und Aktive ihre Perspektiven einbringen, gemeinsam Entwicklungspotenziale ausloten und neue Ideen für eine zukunftsfähige Gewerkschaft erarbeiten. Ergänzt wurde dieser Prozess durch eine repräsentative Mitgliederumfrage über die IGBCE-App. Die Ergebnisse dieser Umfrage sind eindeutig: Die große Mehrheit der Mitglieder wünscht sich eine Gewerkschaft, die nicht nur auf den Wandel reagiert, sondern ihn aktiv gestaltet eine Gewerkschaft, die Orientierung bietet und zugleich die Werte von Solidarität und sozialer Verantwortung hochhält.

Die IGBCE rüstet sich für zukünftige Auseinandersetzungen.

Foto: Markus Feger

Neue Formate für einen neuen Dialog

Um diesem Anspruch gerecht zu werden, beschreitet die IGBCE neue Wege der Beteiligung. Aufbauend auf den vielfältigen Gesprächen und Workshops wurde der „KLAR“-Prozess durch digitale Formate wie die „Zukunftswerkstatt“ weiterentwickelt. Dieses neue Format bot erstmals allen Funktionär*innen die Möglichkeit, sich aktiv und in Echtzeit einzubringen, Fragen zu stellen und Ideen zu entwickeln. Damit wurde Beteiligung auf eine neue Ebene gehoben und ein wichtiges Signal gesetzt: Die IGBCE entwickelt sich nicht nur inhaltlich weiter, sondern auch methodisch und organisatorisch um in einer zunehmend digitalen Arbeitswelt präsent und handlungsfähig zu bleiben.

Der „KLAR“-Prozess ist damit auch ein Lernprozess. Er zeigt, dass Wandel eine Chance für mehr Mitbestimmung, mehr Solidarität und mehr Zusammenhalt ist. Dabei werden aber nicht nur bestehende Strukturen hinterfragt, sondern auch neue Formen der Zusammenarbeit erprobt und weiterentwickelt.

Vier zentrale Handlungsfelder als Ergebnis

Im Verlauf des Prozesses haben sich vier zentrale Handlungsfelder herauskristallisiert, die als Leitplanken für die zukünftige Arbeit der IGBCE dienen. Diese vier Handlungsfelder bündeln die Erwartungen und Bedürfnisse der Mitglieder und bilden den strategischen Rahmen. Das erste Handlungsfeld ist die Transformation der Industrie. Klimawandel, Digitalisierung und Globalisierung stellen nicht nur die Unternehmen, sondern auch die Gewerkschaftswelt vor neue Aufgaben. Die IGBCE hat sich hier klar positioniert: Sie steht für eine sozial gerechte Transformation ein, die Beschäftigung sichert und gute Arbeit auch in Zukunft möglich macht.

Im Bereich der Sozialpolitik geht es darum, den Sozialstaat als Fundament für gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken. Angesichts zunehmender Unsicherheiten braucht es eine starke soziale Sicherung, die niemanden zurücklässt und allen eine Perspektive bietet. Die IGBCE fordert hier ein klares Bekenntnis zum Sozialstaat, zu Solidarität und sozialer Gerechtigkeit – auch als Antwort auf die wachsende gesellschaftliche Spaltung.

Tarifpolitik bleibt natürlich ein Kernbereich der gewerkschaftlichen Arbeit. Doch auch hier sind neue Antworten gefragt: Wie können Tarifverträge an neue Arbeitsformen angepasst werden? Wie gelingt es, auch in Zeiten von Fachkräftemangel und globalen Verwerfungen faire Löhne und gute Arbeitsbedingungen durchzusetzen?

Schließlich widmet sich das vierte Handlungsfeld der Unternehmens- und Betriebspolitik. Mitbestimmung bleibt ein zentrales Element, um Beschäftigte zu schützen und zugleich Unternehmen zukunftsfähig zu machen. Dabei geht es darum, Mitbestimmung nicht nur zu bewahren, sondern sie weiterzuentwickeln – als Garant für eine demokratische Arbeitswelt.

Der gesamte geschäftsführende Hauptvorstand während der Liveübertragung der Zukunftswerkstatt.

Foto: Nicole Hoppe

Strategiepapiere als Leitplanken der Zukunft

Diese vier Handlungsfelder wurden durch drei wegweisende Strategiepapiere untermauert, die die IGBCE im Rahmen des „KLAR“-Prozesses veröffentlicht hat. Diese Papiere sind die Verdichtung der Impulse und Ergebnisse der Diskussion und liefern gleichzeitig eine klare Orientierung für die weitere Arbeit. Das erste Papier, „Wirtschaftspolitische Leitlinien für eine zukunftsfähige soziale Marktwirtschaft“, liefert eine fundierte Analyse der aktuellen Lage und zeigt auf, wie nachhaltige Industriepolitik mit sozialer Verantwortung verbunden werden kann. Das zweite Papier, „Starker Sozialstaat: Sicherheit und Solidarität für den inneren Frieden“, beleuchtet die sozialpolitischen Rahmenbedingungen für eine gerechte und solidarische Gesellschaft. Und das dritte Papier, „Zukunft der Arbeit“, nimmt die Veränderungen der Arbeitswelt in den Blick – von der Digitalisierung über neue Arbeitsmodelle bis zur Frage der Qualifizierung.

Diese Papiere sind nicht nur ein internes Arbeitsinstrument, sondern auch ein wichtiger Debattenbeitrag an die Politik und die Sozialpartner. Sie machen deutlich, wo die IGBCE zur Kooperation bereit ist und wo sie rote Linien zieht.

Der „KLAR“-Prozess hat der Organisation geholfen, ein klareres Bild davon zu entwickeln, wo sie heute steht und wo sie morgen stehen möchte. Dabei wurde nicht nur lebhaft diskutiert, sondern auch kritisch reflektiert: Wo muss die IGBCE besser werden? Wo muss die eigene Kommunikation klarer werden? Und auf was für einem Fundament soll eine leistungsfähige Zukunftsgewerkschaft gründen? Der Prozess dient daher als Ausgangspunkt für die konkrete Umsetzung der entwickelten Ideen. Die Themen und die Forderungen werden in Form von Anträgen in die Bezirks- und Landesdelegiertenkonferenzen eingebracht, dort diskutiert und schließlich als Maßnahmen auf dem Kongress beschlossen. Damit schlägt die Gewerkschaft die Brücke von der Analyse zur Praxis – von der demokratischen Debatte zur klaren Umsetzung.

Die IGBCE ist „klar für die Zukunft“

Die IGBCE ist überzeugt: Mit „KLAR. Klar für die Zukunft“ wurde nicht nur ein Programm für die nächsten Jahre entwickelt, sondern auch die Grundlage für eine Gewerkschaft, die in einer unsicheren Welt Orientierung und Halt gibt. Eine Gewerkschaft, die den Wandel nicht fürchtet, sondern ihn aktiv gestaltet. Eine Gewerkschaft, die auch in Zukunft eine starke Stimme für ihre Mitglieder ist.

Denn in einer Zeit fundamentaler Umbrüche braucht es eine starke, moderne Gewerkschaft. Die umfassende Neujustierung der Organisation ist daher ein Bekenntnis, diesen Wandel mutig anzugehen mit klaren Werten, neuen Ideen und der gebündelten Kraft der gesamten Mitgliedschaft.